"Was ist das zentrale Anliegen des Zen? Die Neugeburt und Verwandlung des Menschen aus der Erfahrung des Seins. Zen lehrt uns den Weg zur Befreiung unseres Wesens aus den Fesseln des weltabhängigen Ichs. Zen lehrt es nicht mit den Mitteln eines analytischen, schlussfolgernden Denkens, auch nicht in der Form eines dogmatischen Glaubens oder einer spekulativen Metaphysik, sondern als Weg der Erfahrung und Übung."
Karlfried Graf Dürckheim in: Wunderbare Katze - und andere Zen-Texte, Bern 1964, S. 5
Den Weg ergründen heißt: sich selbst ergründen.
Sich selbst ergründen heißt: sich selbst vergessen.
Sich selbst vergessen heißt: von den zehntausend Dingen bezeugt werden.
Von den zehntausend Dingen bezeugt werden heißt:
Körper und Geist von sich selbst und den anderen fallen lassen.
Die Spuren des Erwachens lösen sich auf, und die aufgelösten Spuren des Erwachens führen endlos fort.
Dōgen Zenji (1200-1253)
Solange Du Dich mit dem Unbeständigen identifizierst, mit dem, was kommt und geht, leidest Du.
Wenn Du erkennst, dass Du der offene Raum des Gewahrseins bist, in dem sich alles ereignet,
hört alles Leid und alle Angst auf.
vgl. Sylvia Wetzel: Sieben Schritte zum Erwachen oder die Schule der Tauben
Neu erschienen:
Mahinda Deegalle (Hrsg.): Dharmayatra - Festschrift zum 65. Geburtstag von Dr. Tampalawela Dhammaratana,
NUVIS-Editions, Paris 2022.
557 Seiten, 38 Aufsätze (Sprachen: Englisch, Französisch, Chinesisch, Singhalesisch, Deutsch);
Aufsatz Nr. 28, S. 391-416: Johannes Soth: Philosophen der Kyoto-Schule in ihrer Beziehung zu Meister Eckhart - Konfrontation und Faszination.
Die in diesem Aufsatz durchgeführten Untersuchungen zum übergreifenden Thema ›Der Mensch in Beziehung zum Absoluten‹ zeigen, dass sowohl die Philosophen der Kyôto-Schule als auch Meister Eckhart hervorragende Brückenbauer zwischen Ost und West sind. Es ist zu hoffen, dass im interreligiösen Dialog die jeweils unterschiedlichen Zugänge zum Einen in den beiden Religionen in ihrer Vielfalt erhalten bleiben, dass aber zugleich auch erkannt wird, wie sich die vorhandenen Gegensätze oftmals auf einer höheren Wirklichkeitsebene auflösen können: Einheit in Unterschiedenheit. Dann kann in den wesentlichen Punkten mehr Gemeinsamkeit ans Licht kommen als bisher angenommen wurde. Die coincidentia oppositorum und die Aufhebung der Subjekt-Objekt-Trennung wird in den folgenden Worten Meister Eckharts in ihrer wunderbaren Wirkung erklärt und zusammengefasst. Im In-eins-Fallen der Gegensätze kann der Geist in Ruhe verweilen. Die Unterschiede sind nicht ausgelöscht, sondern die Quelle tiefster Erkenntnis ist freigelegt.
Nû lose wunder! Welch wunderlich stân ûze und innen, begrîfen und umbegriffen werden, sehen und sîn diu gesiht, enthalten und enthalten werden: daz ist daz ende, dâ der geist blîbet mit ruowe in einicheit der lieben êwicheit.
Nhd.: »Lausche <denn> nun auf das Wunder! Welch wunderbares Stehen draußen wie drinnen, begreifen und umgriffen werden, schauen und <zugleich> das Geschaute selbst sein[Hervorhebung J. S.], halten und <zugleich> gehalten werden: das ist das Ziel, wo der Geist in Ruhe verweilt, der lieben Ewigkeit vereint.«
Meister Eckhart, Werke I (Bibliothek des Mittelalters), Texte und Übersetzungen von Josef Quint, herausgegeben und kommentiert von Niklaus Largier, Predigt 86,
S. 220, 7-10; nhd. Übersetzung: S. 221, 11-15.