1. Körperhaltung
a) Sitzen auf dem Boden bzw. auf einem Kissen
Die Basis:
Wir sitzen mitten auf einem runden Meditationskissen, dessen Dicke und Festigkeit wir optimal an unsere Anatomie angepasst haben. Eventuell kann es günstiger sein, nur auf der vorderen Hälfte des Kissens zu sitzen. Entscheidend ist, dass die oberen Beckenbereiche (Beckenkämme) leicht nach vorne geneigt sind und wir so eine gute Stabilität erreichen. Ob im vollen, halben oder im Viertel-Lotus, im burmesischen Sitz, in Siddhāsana oder im Fersensitz, in jedem Fall sollten die Knie gegen den Boden drücken, wodurch sich unser Gefühl, fest gegründet und erdverbunden zu sitzen, verstärkt. Es ist gut, in den Beinen, im Becken- und im Bauchraum das ganze Körpergewicht zu spüren.
Der Oberkörper:
In dieser Weise gegründet richten wir uns mit der Wirbelsäule auf und entspannen den Bauchraum. Ab der Brustmitte strecken wir uns etwas stärker nach oben und lassen zum Kopf aufsteigend mehr und mehr Leichtigkeit entstehen. Die Schultern sind herabgesunken und ein wenig nach hinten gezogen. Das Kinn ziehen wir leicht heran. In der Halswirbelsäule fühlen wir eine angenehme Dehnung, Durchlässigkeit und Gelöstheit.
Arme und Hände:
Von den Schultern aus geben wir das Gewicht der Arme und Hände (je nach Sitzhaltung) an die Oberschenkel oder Füße ab. Die Hände bilden eine Schale. Die linke Hand ruht in der rechten, die Daumenspitzen berühren sich ganz leicht.
Unterkiefer, Mund und Zunge:
Der Unterkiefer wird entspannt, die Zunge liegt eingebettet zwischen dem unteren und oberen Gaumen; ihre Spitze berührt so gerade eben die oberen Schneidezähne. Die Lippen sind weich und berühren sich minimal.
Augen:
Die Augen sind halb geöffnet, der Blick ruht in einem Winkel von ca. 45° auf einem Punkt am Boden, ohne starr auf ihn fixiert zu sein. Es soll ein weiches, sich ausweitendes Schauen sein, das sowohl nach innen als auch nach außen gerichtet ist.
b) Sitzen auf einem Bänkchen
Wer Schwierigkeiten mit den oben erwähnten "klassischen" Sitzhaltungen hat, kann mit Hilfe eines Taizé-Bänkchens eine gute Möglichkeit finden, einen soliden Meditationssitz aufzubauen. Alles, was schon zur Körperhaltung gesagt worden ist, trifft auch für diese Sitzhaltung zu.
c) Sitzen auf einem Stuhl
Wenn aus gesundheitlichen Gründen das Sitzen auf dem Boden nicht durchführbar ist, kann Zazen natürlich auch in einer Sitzhaltung auf einem stabilen Stuhl oder Hocker praktiziert werden. Der Übende sollte auf jeden Fall beachten, dass die Knie etwas tiefer positioniert sind als die Sitzfläche des Stuhles und dass die Füße fest auf dem Boden stehen. Ansonsten sind alle anderen Anleitungen zur Sitzhaltung zu befolgen.
2. Körperspannung und Entspannung
Einer der wesentlichen Punkte im Zazen besteht darin, die Balance zu finden zwischen der notwendigen Anstrengung und Spannung einerseits und Leichtigkeit und tiefer Entspannung andererseits. Eine schlaffe und eingesunkene Sitzhaltung verhindert die Entfaltung einer kraftvollen Konzentration und führt eher zum "Dösen" und Träumen bzw. dazu, sich von vielen Gedanken mitreißen zu lassen. Für eine energievolle und wache seelisch-geistige Verfassung hingegen ist es wichtig, sich im Oberkörper (besonders in der Wirbelsäule) aufzurichten, wozu natürlich ein gewisses Maß an Muskelspannung erforderlich ist. Das subtile Gleichgewicht von Spannung und Entspannung wirkt sich im gesamten Nervensystem aus: Sympathicus und Parasympathicus kommen miteinander in Einklang. Der "innere Raum" der Stille öffnet sich und lässt geistige Klarheit entstehen.
3. Atmung
Der Atem ist die Brücke zwischen Körper und Geist. Bewusstes Atmen führt uns zu der Erfahrung von Ganzheit und Eins-Sein. Im Zazen geht es darum, mehr und mehr den natürlichen Atem geschehen zu lassen, wozu wir durch eine gute Körperhaltung und durch die Balance von Spannung und Entspannung beste Voraussetzungen schaffen. Die Zen-Atmung fließt weich, geschmeidig und zugleich kraftvoll; sie konzentriert sich besonders im Unterbauch (Hara). Mit dem Aus-Atem, der (ähnlich wie im Schlaf) etwas länger als der Ein-Atem ist, lassen wir uns tief ins Becken (und von der Vorstellung her bis in die Erde) hinein fallen, wobei die körperliche Aufrichtung unvermindert bestehen bleibt, und nehmen einen leichten Druck zum Beckenboden und zur unteren Bauchdecke wahr. In dieser Weise können wir anfangs den Aus-Atem ein wenig beeinflussen und führen, während der Ein-Atem immer ganz von selbst erfolgt.
Nach und nach wird der Atem leichter, feiner und unmerklicher fließen. Die Aufmerksamkeit bleibt nicht mehr auf ihn fokussiert. Körperhaltung, Körperspannung bzw. -entspannung und Atem bilden zwar weiterhin die elementare Basis, der Meditierende wird aber immer stärker von der inneren Haltung und vom reinen Bewusstsein bestimmt.
4. Innere Haltung
Achtsamkeit, Anstrengungslosigkeit und Absichtslosigkeit sind die Kennzeichen der inneren Haltung des Meditierenden. Es ist eine Haltung größter Offenheit und Weite bei dem gleichzeitigen Gefühl, felsenfest gegründet zu sein. Von der inneren Mitte (vom "Herzgeist") her klären und ordnen sich die Gedanken und Gefühle gemäß dem Satz aus dem Tao te king: Dringe durch zur Mitte und alles ordnet sich von selbst!
Neu erschienen:
Mahinda Deegalle (Hrsg.): Dharmayatra - Festschrift zum 65. Geburtstag von Dr. Tampalawela Dhammaratana,
NUVIS-Editions, Paris 2022.
557 Seiten, 38 Aufsätze (Sprachen: Englisch, Französisch, Chinesisch, Singhalesisch, Deutsch);
Aufsatz Nr. 28, S. 391-416: Johannes Soth: Philosophen der Kyoto-Schule in ihrer Beziehung zu Meister Eckhart - Konfrontation und Faszination.
Die in diesem Aufsatz durchgeführten Untersuchungen zum übergreifenden Thema ›Der Mensch in Beziehung zum Absoluten‹ zeigen, dass sowohl die Philosophen der Kyôto-Schule als auch Meister Eckhart hervorragende Brückenbauer zwischen Ost und West sind. Es ist zu hoffen, dass im interreligiösen Dialog die jeweils unterschiedlichen Zugänge zum Einen in den beiden Religionen in ihrer Vielfalt erhalten bleiben, dass aber zugleich auch erkannt wird, wie sich die vorhandenen Gegensätze oftmals auf einer höheren Wirklichkeitsebene auflösen können: Einheit in Unterschiedenheit. Dann kann in den wesentlichen Punkten mehr Gemeinsamkeit ans Licht kommen als bisher angenommen wurde. Die coincidentia oppositorum und die Aufhebung der Subjekt-Objekt-Trennung wird in den folgenden Worten Meister Eckharts in ihrer wunderbaren Wirkung erklärt und zusammengefasst. Im In-eins-Fallen der Gegensätze kann der Geist in Ruhe verweilen. Die Unterschiede sind nicht ausgelöscht, sondern die Quelle tiefster Erkenntnis ist freigelegt.
Nû lose wunder! Welch wunderlich stân ûze und innen, begrîfen und umbegriffen werden, sehen und sîn diu gesiht, enthalten und enthalten werden: daz ist daz ende, dâ der geist blîbet mit ruowe in einicheit der lieben êwicheit.
Nhd.: »Lausche <denn> nun auf das Wunder! Welch wunderbares Stehen draußen wie drinnen, begreifen und umgriffen werden, schauen und <zugleich> das Geschaute selbst sein[Hervorhebung J. S.], halten und <zugleich> gehalten werden: das ist das Ziel, wo der Geist in Ruhe verweilt, der lieben Ewigkeit vereint.«
Meister Eckhart, Werke I (Bibliothek des Mittelalters), Texte und Übersetzungen von Josef Quint, herausgegeben und kommentiert von Niklaus Largier, Predigt 86,
S. 220, 7-10; nhd. Übersetzung: S. 221, 11-15.